Wie schnell sich die moderne Arbeitswelt entwickelt, das hat die Pandemie nachdrücklich offengelegt. Plötzlich Lockdown, Homeoffice statt Präsenzarbeit, Videocalls statt Konferenzraum, und das sind nur die kurzfristigen Umwälzungen.
Dabei unterliegt die Arbeitswelt auch ohne Pandemie schon massiven Veränderungen, Stichwort: Digitalisierung. Was das für die nahe Zukunft von Unternehmen bedeuten könnte, hat das Weltwirtschaftsforum in einem kürzlich veröffentlichten Bericht hervorgehoben: Ab dem Jahr 2024 werden demnach vier von zehn Mitarbeitern umfassend weitergebildet oder umgeschult werden müssen, um den Aufgaben der Arbeitswelt der Zukunft gewachsen zu sein. Mindestens sechs Monate, so das Weltwirtschaftsforum, werden diese Umschulungen und Weiterbildungen im Schnitt dauern - pro Mitarbeiter.
Die Frage, ob Menschen mit Schlüsselfähigkeiten in Zukunft noch verfügbar sein werden, gehört schon heute zu den größten Sorgen von CEOs, wie eine jährliche PWC-Umfrage unter Unternehmenschefs gezeigt hat. Diese schätzen das Risiko, bald kein geeignetes Personal mehr zu finden, sehr hoch ein. Höher noch als die Risiken, die durch geopolitische Unsicherheiten, Handelskonflikte oder Protektionismus entstehen könnten.
Damit ist der Trend klar: Unternehmen, die heute schon in die Fort- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren, werden perspektivisch einen Wettbewerbsvorteil haben. Viele haben das schon erkannt. US-Unternehmen etwa geben heute schon insgesamt über 80 Milliarden US-Dollar jährlich für Mitarbeiter-Trainings aus, wie der aktuelle Industry Report des Training Magazines herausgefunden hat.
Die Großen schreiten voran, Beispiel Amazon: Von 2019 bis 2025 will das Unternehmen 700 Millionen US-Dollar in Weiterbildung stecken, 100.000 Mitarbeiter in den USA sollen davon profitieren, das ist ein Drittel aller Amazon-Mitarbeiter in den USA. Es gibt Programme für Spezialisten, beispielsweise können sich Programmierer in Sachen Machine Learning weiterbilden. Und es gibt Programme für Quereinsteiger: So können sich etwa Mitarbeiter aus nicht-technischen Bereichen fitmachen für eine neue Karriere als Software-Ingenieure.
Unternehmen stehen beim Thema Weiterbildung – neben inhaltlichen Weichenstellungen – vor allem vor einer Frage: Wie bringt man die Inhalte zu seinen Mitarbeitern? Diese bevorzugen in der Mehrheit einen Unterricht im Klassenzimmer, vor Ort, wie in der Schule. Das legt ein Bericht der Beratungsfirm WestMonroe aus dem Jahr 2019 nahe. Dem hat die Pandemie ein plötzliches Ende gesetzt. Die drei größten Herausforderungen für Unternehmen bestanden plötzlich darin, die Trainingsinhalte zu digitalisieren, die Leute im Homeoffice zu motivieren, und, die größte Herausforderung: eine Technologie fürs Remote-Learning aufzubauen.
Dominant hierbei sind webbasierte Lern-Management-Systeme, aber immer wichtiger werden auch Mobile Apps. Selbst in kleinen US-Unternehmen bis 1000 Mitarbeiter etablieren sich Smartphones und Tablets als Lern-Kanäle, zehn Prozent des Trainings findet dort bereits darüber statt – im Vergleich zum Vorjahr hat sich dieser Anteil verdoppelt. Auch in der Schulung von Vertriebspartnern können Apps eine geeignete Schnittstelle für Trainings darstellen: Sie sind einfach über den App-Store zu verteilen und garantieren zeitliche, örtliche und auch thematische Flexibilität. Wie das gehen kann, macht etwa der Elektronik-Konzern Schneider Electric vor. Das Unternehmen bietet digitale Energie- und Automatisierungslösungen an, die Prozesse effizienter und nachhaltiger machen sollen. Da braucht es ein Netz an geschulten Partnern, etwa Großhändler oder Elektroinstallateure, die als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Endkunden fungieren. Um diese laufend und flexibel zu neuen Diensten und Hardware fortzubilden, hat Schneider Electric eine eigene eLearning-App entwickelt. Erhältlich im App-Store, können die Partner sich ihre relevanten Inhalte selbst holen und mit dem Training starten, wann es ihnen passt.
Und dann gibt es Unternehmen, die mit ganz neuen Technologien experimentieren. Der US-amerikanische Telekommunikations-Konzern AT&T etwa setzt auf VR-Brillen, um seine Techniker zu schulen. Anstatt auf einem echten Hausdach lernen diese nun virtuell, wie man Satellitenschüsseln montiert – das ist vor allem günstiger. Und die Supermarktkette Walmart schult damit Mitarbeiter im Kundenkontakt. „VR-Brillen machen Lernen zu einer Erfahrung“, sagte Andy Trainor, Senior Director der Walmart Akademien in den USA, zum Start des Projektes. „VR-Training steigert das Selbstbewusstsein und führt dazu, dass man sich die Inhalte besser einprägt.“
Wenn es nach dem Weltwirtschaftsforums geht, profitiert vom Mitarbeiter-Training nicht nur die geschulte Person und das Unternehmen, sondern die gesamte Weltwirtschaft. Bis zum Jahr 2030, so der Bericht, könnten weit angelegte Investments in Fortbildung das globale BIP um 6,5 Billionen US-Dollar wachsen lassen. Auch wenn das Ganze also erstmal Geld kostet: Es ist ein Gewinn für alle Beteiligten, ob per Klassenzimmer, mobiler App oder VR-Brille.
Quellen zum Nachlesen:
Wahlprogramme:
- Upskilling for Shared Prosperity, 25. Januar 2021, https://www.weforum.org/reports/upskilling-for-shared-prosperity
- 24th Annual Global CEO Survey, PWC, https://www.pwc.de/de/ceosurvey/pwc-24th-global-ceo-survey-2021.pdf
- 2020 Training Industry Report, Training Magazine, https://trainingmag.com/2020-training-industry-report/
- The Upskilling Crisis: Effectively enabling and retraining employees for the Future, WestMonroe,https://www.westmonroe.com/perspectives/signature-research/the-upskilling-crisis-effectively-enabling-and-retraining-employees-for-the-future